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Keine Liebe für's Leben

Ein Olympus Hochzeitsfotograf kauft sich eine Sony

Was dann passiert wirst Du kaum glauben

| Dirk Weber | Technik

Was dann passiert wirst Du kaum glauben! Klingt nach Clickbait? Ist es auch. Also ein bißchen. Wer wenig Zeit hat, für den folgt hier die Kurzfassung: Die Sony wurde gekauft, war auf gut 15 Hochzeiten im Einsatz und wurde dann wieder verkauft. Warum? Sie und ich wurden keine Freunde und ich fotografiere weiterhin mit Olympus. Ende der Geschichte. Wer jetzt noch mehr wissen möchte, der darf gerne weiterlesen...

Getting Ready auf Kloster Hornbach (Olympus PEN-F + Noctircon 42.5mm f1.2)

Das gleiche Getting Ready (Sony A7iii + 85mm f1.8)

Warum Sony?

Sony hat den Markt der spiegellosen Kameras in den letzten Jahren regelrecht umgekrempelt. Dabei spielte Sony auch in die Hände, dass die Platz­hirsche Canon und Nikon spiegellos noch nichts zu bieten und Hersteller mit solidem spiegel­losen Portfolio - Fuji, Panasonic und Olympus - “nur” Crop­sensoren im Angebot hatten. Sony war also recht lange der einzige Anbieter von spiegellosen Voll­formatkameras. Und da eines der beliebten Mythen in der Hochzeitsfotografie ja lautet, dass man für Hochzeitsfotos unbedingt eine Vollformatkamera nutzen muss, gingen die Dinger weg wie warme Semmeln.

Okay, bei der Geschichte habe ich jetzt übersprungen, dass die Sache mit den Semmeln eigentlich erst für die 3. Generation der Sonys gilt. Davor lief das alles noch recht normal. Aber mit der A9 ist Sony seinerzeit tatsächlich ein großer Wurf gelungen. Und wie es in den einschlägigen Foren und Facebookgruppen schien, wechselten ab da plötzlich Hochzeitsfotografen scharenweise die Marke. 

Und da Hochzeitsfotografen bekanntermaßen zu den Herdentieren gehören, war das 2018 Grund genug, um mir auch mal eine Sony zuzulegen. Ich wollte herauszufinden, ob mir Vollformat tatsächlich das Leben erleichtern könnte. So kam eine A7iii mit 85mm f1.8 ins Haus und hat mich einen Großteil der 2018er Hochzeitssaison begleitet. Natürlich war die Sony nicht allein im Einsatz, sondern im Team mit einer meiner treuen PEN-Fs - und das mit überraschenden Ergebnissen.

Long story short

Die Sony ist 'ne tolle Kamera und macht eigentlich so ziemlich alles richtig. Vieles war so wie erwartet. Freistellen mit Vollformat ist eine Pracht. Der Autofokus der Sony ist echt flott und der Augen-AF sehr praktisch. Die Bildqualität ist prima und High-ISO ist erwartungsgemäß viel besser als an der Oly.

Sony A7iii mit SONY SEL85F18 85mm f1.8 ED

Ja wo ist denn dann das Problem?

Es gibt eigentlich keins. Kein großes. Es kam bei mir nur keine echte Begeisterung für die Kamera auf. Zudem bin ich mir mittlerweile auch relativ sicher, dass die Begeisterung der vielen Umsteiger vor allem darauf beruht, dass sie bisher nicht mit ausgereiften Systemkameras gearbeitet haben. Von der DSLR kommend ist ein LiveView mit schnellem AF auf jeden Fall etwas neues - von lautlosem Auslösen und den sonstigen Vorteilen der Spiegellosen gar nicht zu sprechen. Das kann einen schon umhauen.

Wenn man aber schon ewig mit Spiegellosen arbeitet, dann ist man darüber jetzt nicht direkt geflasht. Selbst der hochgelobte Augen-AF ist unterm Strich ja auch nur eine “Gesichtserkennung-plus” und damit nicht wirklich neu.

Die Sony ist eine Maschine - ein bildermachender Computer. Und was sie macht macht sie gut. Vielleicht hat man sich bei Sony nur ein bißchen zu sehr auf krasse Technik konzentriert und dabei den Fotografen und den kreativen Prozess vergessen. Für mich fehlt es der Sony einfach an der Seele.

Zum kreativen Prozess gehört für mich außerdem eine gewisse Herausforderung. Die Kamera soll unterstützen, es mir aber auch nicht zu einfach machen. Ohne die Herausforderung werde ich nämlich faul und einfallslos. Am Ende des Tages habe ich dann vielleicht mehr technisch korrekte Bilder, aber dadurch werden es nicht automatisch auch mehr gute Bilder.

Sony und Olympus nebeneinander im Hochzeitseinsatz

Die beiden Kameras könnten zwar kaum unterschiedlicher sein, vertragen sich in der Praxis aber ganz prima.

Vielleicht liegt es daran, dass der Sensor der PEN-F aus dem gleichen Stall kommt - auf jeden Fall ist der Look aus beiden Kameras gut miteinander kombinierbar. Auch die Bearbeitung in Lightroom kann bequem mit den gleichen Presets erfolgen. Der Einfluss der verschiedenen Objektive ist da größer. Leider habe ich in den ganzen 6 Monaten nur ein einziges Foto gemacht, bei dem man das Ergebnis aus beiden Kameras wirklich mal übereinanderlegen könnte - also bei dem Szene, Perspektive, Brennweite usw. weitgehend übereinstimmen. Und schlauerweise war das auf einer Hochzeit, bei der ich keine Veröffentlichung vereinbart habe.

Den wesentlichen Punkt sieht man aber trotzdem: Man sieht nicht viel. Und das fasst die Geschichte eigentlich auch schon zusammen: In der Praxis macht die Kamera kaum einen Unterschied. Schaut selbst!

Und sorry für die Einhörner...

OLYMPUS
SONY

Sony A7iii + 85mm 1.8 @2.0 (links) vs. Olympus PEN-F + 42.5mm 1.2 @1.2 (rechts)

 

Der parallele Einsatz beider Kameras ist kein Problem

Das konkrete Bild wurde durch Lightroom gejagt, mit dem Look der Hochzeit versehen und ein bißchen in den Farben angeglichen - nicht weil der Look aus den Kameras so verschieden wäre, sondern eher, weil sowohl das 85mm f1.8 von Sony als auch das Nocticron eine etwas unterschiedliche Farbwiedergabe haben.

Was man sieht: Die Schärfeebene liegt bei der Oly weiter hinten. Das und der selbst bei f1.2 größere Schärfebereich sorgen dafür, dass es insgesamt schärfer wirkt als das aus der Sony. Und natürlich ist das verwendete Nocticron auch eine knackscharfe Linse.

In die Auswahl für’s Brautpaar kam am Ende aber das Bild aus der Sony. Ausschlaggebend waren die Gesichtsausdrücke. Die Technik war hier völlig zweitrangig. So hätte das ganze auch andersrum passieren können.

Parallel mit beiden Kameras zu arbeiten funktioniert hervorragend. Auch bei der Bearbeitung gibt es keine wesentlichen Besonderheiten. Und am Ende sind die Bilder im Mix einer Hochzeitsreportage kaum auseinanderzuhalten. Speziell im Hochzeitsszenario geht ja auch die Story immer vor.

Noch mehr Getting Ready auf Kloster Hornbach:
links die Braut mit Trauzeugin beim Ankleiden (Sony A7iii mit 85mm f1.8), rechts der Bräutigam mit seinen Jungs und einem Western im TV (Olympus PEN-F, 15mm f1.7)

Tierische Hochzeitsgäste (Sony A7iii mit 85mm f1.8) und entstpannte Hochzeitsportraits rund um das Klostergelände - links mit den 85mm der Sony und rechts mit den 15mm der PEN-F.

Das Zusammenspiel von Olympus (links) und Sony (rechts) klappt in der Praxis ganz hervorragend.

Wo die Sony mich genervt hat...

So einige Dinge an der Sony waren so ganz anders als erwartet, wirkten undurchdacht oder neben der technischen Perfektion fast schon ignorant. Erklären kann ich mir das nur damit, dass die Sony-Ingenieure und selbst nicht fotografieren und im Freundes-  und Bekanntenkreis sicher nur weniger bis gar keine Fotografen haben.

Ich will ausdrücklich kein Sony-Bashing betreiben. Einiges hiervon wird wahrscheinlich mit aktuellen Firmware-Versionen nicht mehr zutreffen oder wird mit einem Nachfolgemodell Geschichte sein. Aber viele von Euch haben mich explizit gefragt, was mich damals gestört hat.

Portraits im Foyer von Kloster Hornbach - mit Olympus PEN-F und Panasonic 15mm f1.7 ...

... und Sony A7iii mit 85mm f1.8

#Mopsgeschwindigkeit

Nicht falsch verstehen, die Sony ist schnell. Also in fast jeder Disziplin - nur eben nicht bei der Belichtungskorrektur. Spiegellos und LiveView, das bedeutet für mich normalerweise intuitives spontanes Fotografieren mit einem Finger am EV-Rad. Erfreulich ist, Sony hat so ein drittes dediziertes Rad zur Einstellung der Belichtungskorrektur. Das mochte ich auch schon an der PEN-F. Aber für die Nutzung desselben setzt Sony im Gegensatz zu Olympus offenbar auf Entschleunigung.

Der folgende fiktive Dialog soll zeigen, wie sich eine typische Hochzeitssituation mit der Sony im Vergleich mit der PEN-F anfühlt. Liebe Sony-Nutzer, hasst mich bitte nicht! 

Stellt Euch nun einfach vor, wie die Braut von ihrem Vater in die Kirche geführt wird. Die Kirche ist relativ dunkel und hinter Vater und Tochter strahlt das Tageslicht durch die geöffnete Tür. Ein Dreh an der Belichtungskorrektur und alles wäre gut.

Ich: Kamera, bitte mach eine Blendenstufe heller.

Sony: Geht klar Mann, ich kümmer mich drum.
Schau, wird schon heller. Ein bißchen.
Ist das nicht schön, wie smooth das Faden funktioniert?
Jetzt ist’s wirklich schon ‘ne ganze Ecke heller, oder?
So, fast da.
Noch einen Moment.
Sooo, geschafft!

PEN-F: Schwups, hell.

(Und die PEN ist nun wirklich keine Rakete.)

Ja, ich verstehe, dass eine smoothe Helligkeitsänderung bei Video eine tolle Idee ist. Aber welchen Grund auf der Welt gibt es, das auch für Fotos so zu lösen? Bis mein Vorschaubild da passt, hat sich doch die Belichtungssituation schon dreimal wieder geändert. Live View macht so nicht nur keinen Spaß, sondern - sorry - auch keinen Sinn. Wie zur Hölle arbeiten Kollegen damit und sind sogar noch begeistert?

Olympus PEN-F + 7-14mm f2.8 @7mm

Olympus PEN-F + 15mm f1.7

Was knarrt denn da?

Die Kamera kostete seinerzeit über 2000 Euro. Da darf man doch erwarten, dass sich das ganz nicht wie Plastik anfühlt und auch nicht knarrt wenn man den Griff zu fest packt. Das können andere Hersteller besser. Eine Z6 fühlt sich für’s gleiche Geld viel solider und erwachsener an.

#Slotgate v2

Vielfach wurde ja kritisiert, dass die spiegellosen Kameras von Canon und Nikon nicht über einen zweiten Kartenslot verfügen. Der Hashtag #slotgate ging um und wer nur mit einem Kartenslot unterwegs war galt als verantwortungslos. Dabei gibt es so vielfältige Möglichkeiten, seine Bilddaten zu verlieren, dass Karte in der Kamera dabei eines der geringsten Risiken darstellt. Das soll hier aber gar nicht Thema sein. Verlorengegangen sind mir Bilder nämlich noch nie. Aber Momente habe ich schon verpasst. Und zwar WEGEN des zweiten Kartenslots. Klingt absurd? Ist es!

Bei Sony heißt es nämlich aufpassen, dass auch die zweite Karte immer brav geleert wird. Sollte man das nämlich vergessen und die Karte wird voll, dann stellt die Kamera kurzerhand die Arbeit ein. Sie könnte ja auch einfach darauf hinweisen, dass Karte 2 voll ist und trotzdem auf Karte 1 weiterspeichern. Tut sie aber nicht. Sie verweigert das Auslösen.
Auch wenn man Karte 2 entfernt mag die Sony immer noch nicht. Es bleibt einem nur die Wahl, entweder Platz auf der Karte zu schaffen oder das Speichern auf 2 Karten im Menü zu deaktivieren.

Blöd wenn das passiert, wenn man eigentlich fotobereit sein sollte - z.B. beim Ringtausch oder bei irgendwas was üblicherweise fotografiert werden möchte.

Gerüchteweise haben einige Kollegen das Deaktivieren des zweiten Slots bereits auf eine der Funktionstasten gelegt - nicht, dass man die auch sinnvoller einsetzen könnte.

Olympus PEN-F + 15mm f1.7

A7iii + 85mm f1.8 (oben) und PEN-F + 7-14mm f2.8 @12mm (unten)

Keine Belichtungskorrektur bei angedrücktem Auslöser

Aus meiner Olympus-Welt kenne ich es so, dass ich den Auslöser andrücke, die Kamera brav scharfstellt und ich dann bei Bedarf noch an der Belichtung drehen kann. Tja, das mag die Sony gar nicht. Man dreht zwar, es tut sich aber nix. Und das trotz dediziertem EV-Rad. Nun könnte ich natürlich Backbutton-Fokus nutzen (da geht’s angeblich), den mag ich aber nicht. Doch Sony wäre nicht Sony, wenn man da nicht was konfigurieren könnte.

Die Lösung: Die Belichtungskorrektur vom EV-Rad auf das zweite Einstellrad legen. Damit “verschwendet” man natürlich ein Einstellrad, denn das EV-Rad lässt sich nicht umkonfigurieren. Egal, so funktioniert’s. Warum das hier geht und beim anderen Rad nicht, konnte mir bisher keiner erklären. 

Jetzt muss man nur aufpassen, dass man nicht versehentlich an das EV-Rad kommt (z.B. wenn die Kamera am Gurt baumelt). Das EV-Rad ist nämlich nicht tot. Versehentlich verstellt passiert es dann, dass man fotografieren möchte und fleißig am (frisch als solches konfigurierten) Einstellrad dreht, aber nichts passiert, denn das EV-Rad hat immer Priorität. Kein Drama, nervt aber.

Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen

Beispielsweise könnte ich mich über das wirre Menü auslassen, das wie wild zusammengewürfelt wirkt. Hier scheint so, als hätte Sony immer wenn ein Screen voll war eine neue Seite begonnen und dabei jede sinnvolle Gruppierung ignoriert. Der Witz dabei: Eigentlich ist Olympus dafür berühmt, ein unstrukturiertes Menü zu haben, aber die Menüs dort sind im Vergleich nahezu vorbildlich. Aber daran kann man sich bestimmt gewöhnen.

Auch verstehe ich nicht, warum im RAW der Sony so unglaublich kleine und stark komprimierte JPGs eingebettet werden. Das mit der Größe macht die von vielen Hochzeitsfotografen gewohnte ultraschnelle Bildauswahl mit Photomechanic etwas lästig, wenn nämlicih die 100% Ansicht nicht mal die Hälfte des 4k Bildschirms füllt und die Schärfekontrolle zum Ratespiel wird. Zum Glück ist der AF der Sony so gut, dass der in der Regel sitzt. Das macht die Sache verschmerzbar. Die starke Komprimierung widerum geht zu Lasten des Dynamikumfangs. Das stört bereits in der Bildnachschau in der Kamera. Dort sehen damit Stellen "ausgefressen" aus, die in Wirklichkeit völlig in Ordnung sind. Das ist schade und hat mich vor allem in der Studiofotografie genervt. Beides lässt sich in der Praxis natürlich lösen, indem man RAW+JPG fotografiert. Besonders komfortabel ist das aber nicht.

Ist das nun von Sony etwas lieblos? Brutal ignorant? Oder haben die einfach nur nicht zuende gedacht?

Jammern auf hohem Niveau? Natürlich!

All das macht die Sony nicht zur Katastrophe. Sie bleibt eine fantastische Kamera die auf jeden Fall viel mehr richtig macht als falsch. Aber Fotograf und Kamera müssen halt zusammenpassen. Und auch wenn die Sony für viele Fotografen die richtige Kamera sein mag, unsere Wege haben sich getrennt.

Ein Fazit ist aber auf jeden Fall, dass die Kamera am Ende nicht kriegsentscheidend ist. Wichtiger ist, was man damit macht. ;)


Tipp:

Wenn Ihr wissen wollt, mit welcher Technik ich so unterwegs bin, dann verrät Euch dieser Blogartikel, welche Kameras und Objektive ich auf Hochzeiten im Einsatz habe und warum.

Mit Sony und Olympus auf einer Hochzeit in Waterford, Irland:

Die Olympus war zuständig für Weitwinkelaufnahmen (Panasonic 15mm f1.7 + Olympus 7-14mm f2.8) und die Sony für die Portraitbrennweite (Sony 85mm f1.8). Im Zusammenspiel entstand hieraus eine wunderbar harmonische Hochzeitsreportage.

#sony #olympus #byebyesony #hochzeitsfotografenmachensowas #warmesemmeln